Manchmal wäre es wahrscheinlich besser, man würde eine Nutte bezahlen, die danach von selbst geht, als am Morgen neben einer Frau aufzuwachen, die ihren Glanz vom letzten Abend verloren hat, sagt mein Freund Martin.
Wir sitzen in seinem Wagen und fahren durch Berlin. Aus dem Radio kommt Loungemusik. Das ist genau richtig, denn ich bin irgendwie schlapp.
„Das habe ich mir schon lange abgewöhnt“, antworte ich stolz. Na ja, ganz wahr ist das nicht, mir passiert hier und da schon mal ein Ausrutscher. Es gibt doch nichts Schlimmeres, als am nächsten Morgen neben einer Frau aufzuwachen, die einem gar nicht mehr gefällt. Das Make-up ist runter, die blickdichten Strumpfhosen und High Heels liegen am Boden, und der Popo ist doppelt so groß, wenn er nicht mehr vom engen Rock zusammengehalten wird. Sie ist nicht rasiert, und du hast wunde Stellen von ihrer Beinbehaarung an der Innenseite deiner Oberschenkel.
Gerade, als du verzweifelt versuchst, mit der Realität und deinem Kater fertig zu werden, macht sie die Augen auf. Sie lächelt beschämt, und für eine Minute hast du ein schlechtes Gewissen. Wie konnte es nur so weit kommen, so übel enden, denkst du. Jetzt habe ich auch noch ihre inneren Werte und Gefühle übersehen und rein nach dem Aussehen ge(ver-)urteilt. Mann, oh Mann, was bin ich für ein Schwein. Immerhin war ich es, der sie gestern angesprochen hat. Oder war sie es? Ich kann mich nicht mehr erinnern. Verdammt, ich brauche erst mal Wasser und ein Aspirin.
Sie war es jedoch, die mich nach Hause eingeladen hat, das weiß ich noch ganz genau. Sonst wäre ich auch nicht hier, in ihrer Wohnung und ihrem Bett. Dann geht sie in die Offensive. Sie rückt näher, gibt mir ein Küsschen und will kuscheln. Das war gestern Nacht noch okay, aber jetzt? Wie komme ich nur hier raus? Eigentlich muss ich ohnehin dringend aufs Klo. Vielleicht ist das die Gelegenheit zur Flucht.
Dann spricht sie von „uns“ und „wir“. Sie träumt von „Freund und Freundin“. NEIN, hier liegt ein Irrtum vor, ein ganz schrecklicher. Irgendwann halte ich es nicht mehr aus und sage ihr die Wahrheit. Ich versuche, diplomatisch zu sein, aber sie scheint es nicht zu verstehen. Wahrscheinlich will sie es nicht verstehen. Dabei habe ich ihr gestern doch gesagt, dass ich keine Freundin, sondern nur Spaß haben will. Eigentlich wollte sie auch nur Spaß. Nur eine Nacht. Nur einmal so richtig auf den Putz hauen, hat sie gestern noch gesagt. Nun hat sie es vergessen und fragt mich, was „wir“ denn heute noch machen.
Ihre Augen sprechen mehr als tausend Worte: Aber du könntest doch wenigstens so tun, als wären wir zusammen. Nur jetzt, in diesem Moment, das würde für den Anfang schon reichen. Morgen und übermorgen auch. Vielleicht wird dann doch noch ein „wir“ aus uns beiden. Bitte, tu mir doch den Gefallen!
Ich gebe ihr ein Abschiedsküsschen, packe meine Sachen, ziehe mich an und mache mich stillschweigend auf den Weg zur Tür. Als ich das Treppenhaus hinuntergehe, schwöre ich mir, in Zukunft vorsichtiger zu sein. Nein, das war nur ein Ausrutscher! Am besten, ich lasse in Zukunft einfach die Finger von One-Night-Stands und Schminkwundern. Besser, ich suche weiter nach meiner Traumfrau.
Dann stehe ich auf der Straße. Die Mittagssonne scheint mir ins Gesicht. Verdammt, ich habe vergessen, pinkeln zu gehen. Wo bin ich überhaupt? Wie komme ich jetzt nach Hause? Ich muss Martin anrufen, vielleicht ist er in der Nähe und kann mich abholen.