Paris – Es droht der Rausschmiss

Der Mixer
Ein Kater, eine Couch und ein unerwarteter Besuch: Als Romain plötzlich in sein Apartment zurückkehrt, erfährt er, dass ich dort schlafe – ohne sein Wissen. Was folgt, ist eine Mischung aus peinlichen Erklärungen, nostalgischen Gesprächen über die Techno-Szene und einem versöhnlichen Abendessen.

Ich sitze verkatert und nur in Unterhosen auf der Couch, als plötzlich die Tür aufgeht und Romain hereinkommt. Ihm gehört das Apartment, in dem ich gerade schlafe, und eigentlich sollte er noch im Urlaub sein. Noch besser: Er wusste gar nicht, dass ich hier bin.

Romain wirkt erst überrascht, dann wird er ziemlich sauer. Ich kenne ihn – er ist ein guter Freund von Pierre, und die beiden haben lange zusammengewohnt. Pierre hatte mir erzählt, dass er hier immer noch wohnen würde, wenn er in Paris sei. Und da Romain im Urlaub sei, wäre es ohnehin kein Problem, hier zu übernachten, meinte er noch am Freitag. Ich kenne Pierre sehr gut. Bei meiner Ankunft habe ich ihn noch einmal explizit gefragt, ob er mit Romain gesprochen hat und der mit meinem Aufenthalt in seiner Wohnung OK ist. „Ja ja, es ist alles gut. Mach Dir keine Sorgen“, war Pierres Antwort. Ich hätte es besser wissen müssen.

Die erste Nacht hat Pierre tatsächlich noch hier geschlafen, doch letzte Nacht blieb er bei seiner Freundin. Romain kann es nicht fassen. „Wie konnte Pierre das nur machen? Verdammt, ich muss ihm den Schlüssel abnehmen!“, schimpft er. Mir ist die ganze Situation unendlich peinlich. Hätte ich doch nur bei Greg übernachtet. Aber ich war erst im Oktober bei ihm und wollte ihm nicht auf die Nerven gehen.

Romain versucht, Pierre anzurufen, doch der geht nicht ans Telefon. Stattdessen schreit Romain ihm eine Nachricht auf die Mailbox. „Der liegt sicher noch mit seiner Freundin im Bett und hat Sex im Bett der Eltern!“, raunzt er aufgebracht. Ich entschuldige mich tausend Mal – die Situation ist mir mehr als unangenehm. Doch Romain meint, er hätte kein Problem mit mir. Es sei alles Pierres Schuld; er habe mich in diese blöde Lage gebracht.

Wir reden ein bisschen, und langsam beruhigt er sich. Ich habe Romain bisher nur einmal kurz getroffen, damals vielleicht eine Stunde mit ihm gesprochen. Jetzt haben wir endlich Zeit, uns kennenzulernen. Wir entdecken Gemeinsamkeiten: DJing, Snowboarden und einen ähnlichen Lebensstil.

Romain arbeitet als Booker in einer Pariser Modelagentur. Früher war er DJ, entschied sich aber irgendwann für die Sicherheit eines Tagesjobs. In den 90ern hat er zusammen mit „Piero“ (wie er Pierre nennt) Techno produziert und Raves organisiert. Heute ist er tief in der Fashion-Industrie verwurzelt – doch das ist eine andere Geschichte.

Während wir plaudern, spielt Romain ein paar seiner Lieblingstracks und erzählt von den frühen Pariser Technozeiten. Eigentlich sollte ich arbeiten, aber hier spricht ein Zeitzeuge der frühen Technokultur! Er gibt mir seine Zutatenliste für eine gute Party und erklärt, dass Drogen gar nicht so viel damit zu tun hätten.

„Weißt du“, sagt er, „die Leute denken, auf Techno-Partys gibt’s immer viele Drogen. Sicher, es gibt ein paar Pillenmonster, aber die richtigen Zutaten für eine erstklassige Party sind andere. Du musst einfach eine gute Stimmung schaffen, dann kommen die Leute auch ohne Drogen in Fahrt. Das mit den Drogen ist doch nur Propaganda von denen, die was gegen (illegale) Rave-Partys haben, weil sie nichts daran verdienen.“

Nach etwa drei Stunden taucht Pierre plötzlich auf. Es gibt einen kurzen Streit auf Französisch, und ich verkrieche mich hinter meinem Notebook-Bildschirm. Dann kommt Pierre zu mir.

„Der soll sich nicht so aufregen! Ich hab versucht, ihn zu erreichen. Außerdem schuldet er mir eh noch eine Menge! Siehst du das?“ Er zeigt auf einen alten analogen Mixer. „Das ist das Material, mit dem Leute wie Carl Cox auflegen – das Beste vom Besten. Ich bin extra nach Belgien gefahren, um ihn zu besorgen. Normalerweise kostet so ein Ding 2500, und ich hab ihn Romain für 800 besorgt und sogar getestet, weil Romain keine Ahnung von Technik hat. Der soll also mal ganz ruhig sein.“ Romain knurrt nur und schüttelt den Kopf.

Am Abend gehen wir ins „Black Dog“ essen. Greg ist auch dabei, ebenso wie Romain. „Du kannst bleiben“, meint er. Er habe Pierre einfach die Meinung geigen müssen, denn so gehe das nicht. „Ich hätte ja auch ein Date mit nach Hause bringen können. Und dann?“, meint Romain.

Wir reden über die Partyszene in Paris und New York. Romain und Pierre meinen, dass Paris viel früher und besser dran war als New York. Greg hält dagegen, verteidigt New York mit den Clubs „Tunnel“ und „Limelight“, gibt aber schließlich auf.

Das Gespräch driftet ab zu Frauen und Sex – Pierres Lieblingsthema, und offensichtlich auch für den Nachbartisch unterhaltsam. Am Ende lädt Pierre uns alle ein und übernimmt die Rechnung – als Wiedergutmachung.

Aus meinem Fotoalbum:

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